performance platform. body affects

„In affect, we are never alone. That’s because affects … are basically ways of connecting, to others and to other situations. They are our angle of participation in processes larger than ourselves.” (Brian Massumi)

Menschen und Tiere, organische und anorganische Körper sind miteinander verwoben und befinden sich in einem ständigen Austausch, sie kontaminieren und affizieren einander, sind in Beziehung und Bewegung. body affects stellt KünstlerInnen und TheoretikerInnen vor, die den Körper nicht unabhängig von seinen Erweiterungen und Kontexten sehen und in eine Solidarität mit anderen Lebensformen einbinden.

Das Programm ist inspiriert von kulturwissenschaftlichen und feministischen DenkerInnen wie z.B. Sarah Ahmed, Rosi Braidotti, Patricia T. Clough, Eve Kosofsky Sedgwick und Brian Massumi, die den affektiven, relationalen und porösen Körper als Ausgangspunkt ihrer Analyse von Gesellschaft nehmen. In dieser Perspektive rückt die Materialität des Körpers in den Vordergrund und er wird als dialogisch mit der Welt in Beziehung betrachtet, von externen Einflüssen (organischen und anorganischen, menschlichen, tierischen, technischen) durchwoben, im konstanten Werden begriffen. Affekt wird hier weniger als Emotion verstanden, als vielmehr wie es Brian Massumi formuliert „… the body’s simultaneous capacity of affecting and being affected, which hints at a transition, a virtual co-presence of potentials, as we move through life …“. Affekte verlaufen quer zu den Dichotomien von Körper und Geist, Rationalität und Passion, Selbst und Anderem und verweisen auf die Ko-präsenz des Körpers im weiteren gesellschaftlichen, technischen, (an)organischen und ökologischen Kontext.

Rosi Braidotti und viele andere verweisen dabei auf die Dringlichkeit, diesen affektiven Körper der zunehmenden kapitalistischen Verwertung zu entziehen und zum Ausgangspunkt einer neuen, von einigen als post-humanistisch bezeichneten Ethik zu machen. Post-humanistisch insofern, als der Mensch nicht unabhängig von seinen technischen Erweiterungen gedacht werden kann und zudem in eine, die menschliche Spezies transzendierende Solidarität eingebunden wird.

body affects stellt exemplarisch künstlerische und philosophische Ansätze vor, die andere Lebensformen als Mit-kreaturen und nicht als Verfügungsmasse betrachten und die den menschlichen Körper als in ständiger Beziehung und Verwobenheit verstehen. Live Performances, Vorträge, Screenings und Installationen lassen sich dabei drei Themenfeldern zuordnen:

1. Der Untersuchung des materialen Körpers, welcher sich in affektiver Berührung und Begegnung mit „dem Anderen“, mit organischen oder anorganischen „Objekten“ in Transformation oder gar Auflösung befindet. Beispielhaft sind hier Performances, Videos und Lectures von Lygia Clark, Patricia T. Clough, Amanda Baggs, Nao Bustamante, Tuija Kokkonen, Marcela Levi & Lucía Russo und Boyan Manchev zu nennen.

2. Den komplexen Beziehungen und Begegnungen zwischen Mensch und Tier (oder humanen und nicht-humanen Tieren, wie sich Donna Haraway ausdrückt): Videos, Performances und Lectures von Julie Andreyev, Antonia Baehr, Vinciane Despret, Simone Forti, Vladimir Miller, Kira O’Reilly Carolee Schneemann, Corinna Schnitt beleuchten unterschiedliche Aspekte dieses Themas.

3. Der Verwobenheit des Körpers mit urbanen, (mikro-)ökologischen Netzwerken widmen sich Tuija Kokkonen, Zoe Laughlin und Wietske Maas & Matteo Pasquinelli.

Das vorliegende erweiterte Programmheft vertieft diese Reflektionen durch Beiträge der beteiligten KünstlerInnen und TheoretikerInnen, sowie weiterer AutorInnen.

performance platform ist ein neues Programm, das sich systematisch mit Performance als Medium auseinandersetzt. Es versteht Performance als forschende und experimentelle künstlerische Praxis, die an den Grenzen von Kunst und Leben operiert. Nicht zuletzt aufgrund dieser gesellschaftlichen und politischen Relevanz erfährt Performancekunst seit einigen Jahren eine starke Renaissance und erhöhte Aufmerksamkeit. performance platform widmet sich deshalb der nachhaltigen Entwicklung, Produktion und tiefergehenden Reflexion dieser an den Schnittstellen der bildenden und darstellenden Künste angesiedelten Ausdrucksform. In Kooperation mit verschiedenen Institutionen aus beiden künstlerischen Bereichen realisiert, möchte jede Ausgabe anhand eines ausgewählten Themas, welches sowohl in den bildenden Künsten wie auch in den Performing Arts virulent ist, einen systematischen Dialog über die Genregrenzen hinweg befördern.

Bei performance platform. body affects stehen neben der Zusammenarbeit mit den Sophiensaelen und dem Videoforum des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) außerdem die Kooperation mit dem Hochschulübergeifenden Zentrum Tanz Berlin und den dort Studierenden sowie die Mitwirkung der Austausch- und Rechercheplattform von und für Berliner PerformancekünstlerInnen WOW – wir arbeiten hier an zentraler Stelle.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Bettina Knaup & Silke Bake

Berlin, Juni 2012